Störwerte

Andrea Bellu & Matei Bellu, Fokus Grupa mit Audrey Morency, Anouk Muller, Pol Olk und Laura Winterberg, Anthony Iles & Marina Vishmidt, kuda.org & Group for Conceptual Politics & Zoran Todorović, Benjamin Tiven & Erik Wysocan

Störwerte – Ausstellungsansicht. Foto: WEST. Fotostudio

Das Internationale Fellowship-Programm für Kunst und Theorie stellte im Jahr 2015/16 Arbeitsvorhaben in den Mittelpunkt, die in einem erweiterten Sinn Fragen nach der Valenz des Wertbegriffs im Angesicht eines heute scheinbar allgegenwärtigen und alle Lebensbereiche bestimmenden Finanzkapitalismus aufwerfen. Die Fellows Andrea Bellu, Fokus Grupa, Anthony Iles, Benjamin Tiven und Marina Vishmidt beschäftigten sich in ihren jeweiligen Arbeitsvorhaben mit vornationalstaatlichen, heute vergessenen gesellschaftlichen Strukturen in Gebieten an der heutigen Ostgrenze EUropas und deren Stellenwert für die Gegenwart (Andrea Bellu), mit egalitären Gestaltungsvorstellungen im Bereich der (Innen-)Architektur (Fokus Grupa), mit der Verquickung von (Geld-)Wert, Information und audiovisuellen Medien (Benjamin Tiven) sowie mit den Beziehungen zwischen künstlerischer Praxis und sozialer Krise im Hinblick auf die Frage nach der „Selbstauflösung“ der Kunst (Anthony Iles & Marina Vishmidt).

Zu den bereits genannten Fellows gesellen sich in der Ausstellung auch einige ihrer Gäste: Matei Bellu (auf Einladung von Andrea Bellu), Zoran Todorović, kuda.org / Group for Conceptual Politics (auf Einladung von Anthony Iles & Marina Vishmidt), Audrey Morency, Anouk Muller, Pol Olk, Laura Winterberg (Student_innen von Fokus Grupa) sowie Erik Wysocan (als Kooperationspartner von Benjamin Tiven).

Die Ausstellung Störwerte ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Arbeitsvorhaben und den Arbeitsweisen der Fellows. Ihre künstlerischen und kunsttheoretischen Ansätze, Untersuchungsgebiete und Themen bildeten den Ausgangspunkt. Das kuratorische Konzept sah die schrittweise Entwicklung des inhaltlichen Leitmotivs und des Displays parallel zum Fortschreiten der Vorhaben der involvierten Künstler_innen und Theoretiker_innen vor. Naturgemäß konnten diese Prozesse erst kurz vor der Ausstellungseröffnung abgeschlossen werden, in manchen Fällen sogar erst an den ersten Öffnungstagen im Rahmen von diskursiven Veranstaltungen.

„Störwert“ beschreibt als technischer Begriff den Wert, der im Falle einer Störung üblicherweise aus dem Sollwert eines Systems subtrahiert wird. Im sozialen, aber auch im juridischen Sinn bezeichnet „Störwert“ den Befähigungsgrad einer Person oder Gruppe, „Abweichungen“ von geltenden Normen einer Gesellschaft zu verursachen. In der Regel als negative Setzung angewandt, wird der Begriff des Störwerts im Kontext dieser Ausstellung jedoch beispielhaft als positive Notwendigkeit der Selbstbewertung eines gesellschaftlichen Zustands verstanden. Wann wird eine Abweichung zur Störung? Welche Art von und welchen Grad an Devianzen verträgt ein demokratisches Organisationssystem? Was bewirkt eine Störung gesellschaftlicher Erinnerungsmuster beziehungsweise vorherrschender Wissensformationen? Und welche Antizipationen können diese Störungen hervorrufen?

Ausstellungsbroschüre

Kuratiert von:
Andrei Siclodi