ARENA

Björn Kämmerer

Ausstellungsansicht. Foto: West.Fotostudio

ARENA

Björn Kämmerers Filme setzen beim Alltäglichen, vermeintlich Normalen an und entreißen den Motiven die Funktion. Er begibt sich selbst in die Rolle des Beobachters und trotz aller Vertrautheit der Elemente auf der Filmbühne führt ein fokussierter Blick auf Abstraktion und Nahaufnahme zu Verwirrtheit aber auch zu neuen Blickwinkeln. Gerade dadurch fordert er in Folge das Medium Film und die Sehgewohnheiten der Betrachter_innen heraus. Ist es ein abstraktes Gemälde oder doch ein Film? Dreht sich die Kamera oder die Tribüne könnten sich die Besucher_innen in seinem neuesten, als 70mm-Film konzipierten Film ARENA fragen.

Ein Aspekt in den Arbeiten von Björn Kämmerer ist ihre Qualität Film und Architektur in einen Dialog treten zu lassen. Das wird schon beim Betreten des Galerieraums wahrnehmbar. Der Blick wird nach oben gelenkt. Was im ersten Moment wie eine Skulptur erscheint, wird bei näherer Betrachtung ein Sockel für einen drehenden 16mm Projektor, der Bilder an die Wand wirft. Die Skulptur, deren Maße an den Galerieraum angepasst sind, inszeniert einerseits die Mechanik des Apparats, andererseits die 360 Grad Projektion. Die Bewegung des Lichts bestimmt das projizierte Bild und ändert es in Relation zur Distanz und dem Winkel der Projektion zur Wand. Das Bild verschwindet und verschwimmt kurz, um dann auf der nächsten Wand wieder aufzutauchen. Sujet ist ein Fahrradfahrer, der Künstler selbst, der seine Runden an der Wand dreht, und manchmal auch rückwärtsfährt. Gedreht auf einer unbewohnten Insel in der Ostsee, erweitert das Bild die Flugbahnen der Projektion in den Raum und den Horizont des Meeres, während der endlos Fahrradfahrende Künstler sich mit und gegenläufig zu der Rotation des Bildes bewegt.

Der Kurzfilm REMOTE/8 in Endlosschleife erinnert an die Anfänge des Filmgenres, wo Bilder gerade laufen lernten. Björn Kämmerer setzt die  Filminstallation in Beziehung zum architektonischen und kinematographischen Raum.

Im nächsten Raum zeigt Björn Kämmerer mit ARENA seine neueste Filmarbeit. Eine digitale Version eines 70mm Films, der am Eröffnungsabend im Leokino in Innsbruck im Original als 70mm-Film gezeigt wird. „Der Begriff der Arena verweist auf den Genius loci: das Areal, auf dem der Wettkampf ausgetragen, das Spektakel mithin eingelöst wird. Diese „Arena“ bleibt in Björn Kämmerers Film im Verborgenen. Oder besser: Sie wird zum Gegenstand einer Standortbestimmung. Denn statt dem Oval, der Bühne oder anderen Versprechungen rückt Kämmerer den Zuschauerraum ins Bild – graue, unbesetzte Sitze, Reihe um Reihe, aus einem Outdoor-Stadium.
Der Clou daran: Der Blick auf den Zuschauerblock wird gleich auf doppelte Weise dynamisiert. Während die Kamera im Schneckentempo rückwärtsfährt, sich also langsam entfernt, beschreiben die Sitzreihen eine Kreisbewegung. Der Effekt ist weniger vordergründig als bei einem Dolly-Zoom, bei dem sich nur der Hintergrund verändert. Die allmähliche Ausweitung des Sehfelds, der vergrößerte Bildausschnitt, enthält jedoch ein vergleichbares Moment des Unbestimmbaren. Die schleichende Bewegung wird selbst zur Attraktion.

Kämmerer hat in seinen Filmen wiederholt filmische Verfahren oder Formen in raffinierte Versuchsanordnungen übertragen, die den Zuschauer in eine räumlich wie sinnlich destabilisierende Lage versetzen. […]Die Sitzreihen sind etwa so kadriert, dass wenig Orientierungspunkte bleiben: Immer mehr Reihen sind zwar zu sehen, aber das Bild öffnet sich nicht nach außen, es bleibt innerhalb der Ordnung seiner Elemente konsistent.
Kämmerers ARENA ist als 70mm-Film konzipiert, ein Format, das durch seine enorme Aspect Ratio für das Bühnenhafte prädestiniert ist und sich besonders für horizontale Bewegungen eignet. Als raffinierte Ausweitungsstudie bietet es sich hier als die Essenz eines Schaubilds dar, eines Bildes, das wächst, aber aus dem nichts erwächst. Nicht das Spektakel der Sichtbarkeit steht in ARENA im Mittelpunkt, sondern der Raum des Zuschauers und das Kino, mithin Apparate als Kollaborateure.“ (Dominik Kamalzadeh)

Wenden die Ausstellungsbesucher_innen den Blick von der Arena ab, werden sie von gleißendem Licht geblendet. Es folgen Schwarzbild und im Zentrum ein Fadenkreuz. Die Assoziation mit Ego-Shooter-Games ist nicht zufällig: Es blitzen für Sekundenbruchteile Schießbudenfiguren mit Pistolen in der Hand auf, stehend oder kniend. Es scheint sich um ein Sammelsurium von Stereotypen aus US-amerikanischen Gangsterfilmen zu handeln. TRIGGER spielt als Titel der Filmarbeit auf die doppelte Bedeutung des Begriffs als Auslöser einer Waffe oder einer Kamera an. Björn Kämmerer hat dafür aus 150 sogenannten „training targets“, also Übungszielscheiben, einer Firma in Minnesota, die Trainingsprodukte für Exekutivorgane herstellt, eine Auswahl an „Protagonist_innen“ getroffen, diese auf 35mm in Süd-Kalifornien gefilmt und durch überbelichtete Anfangsbilder zu einem filmischen Stroboskop montiert. In der Neuen Galerie zeigt er den Film in einer 16mm Projektion.

Björn Kämmerer inszeniert im Galerieraum ein Kinoerlebnis aus mehreren Kapiteln, dessen dynamische Dramaturgie die Besucher_innen umfängt.

 

Björn Kämmerer *1977 in Stralsund (Deutschland), lebt und arbeitet in Wien.
Studium von 2002-2008 an der Kunstuniversität Linz und ab 2006 auch an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Diplom 2011 bei Prof. Harun Farocki an der Akademie der Bildenden Künste Wien.
2014 erhielt er das MAK-Schinder Stipendium und 2017 das Staatsstipendium für Bildende Kunst.
Björn Kämmerer arbeitet hauptsächlich mit Film, Video und Installationen.
http://www.bjoernkaemmerer.com

 

Dank an: Otto Wulz, Dietmar Zingl, Otto Preminger Institut, Leokino

           

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